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Die Bremer Stadtmusikanten – gestapelt und verschachtelt

Markanter sozialer Wohnbau mit innovativen Baulösungen von Schöck

Die Zeit herkömmlicher gleichförmiger Gemeindebauten und schlichter architektonischer Lösungen im Sozialbau ist vorbei. Das beweisen immer mehr intelligente und beeindruckende Gebäudelösungen. Eine davon nennt sich „Die Bremer Stadtmusikanten“ und steht in der Tokiostrasse im 22. Wiener Gemeindebezirk. Gestapelt und verschachtelt – so könnte man den Neubau charakterisieren.

Begonnen hat alles mit einem geladenen Bauträgerwettbewerb, bei dem eine hohe Baudichte gefordert war. ARTEC Architekten aus Wien gingen mit ihrem Projekt als Sieger hervor. Es tauchte der Gedanke an Reihenhäuser auf. „Da dabei jedoch eine grosse Grundfläche verbraucht wird, kamen Bettina Götz und Richard Manahl auf die Idee, verschiedene Wohntypen übereinander zu stapeln – eben wie Esel, Hund, Katze und Gockel bei den Bremer Stadtmusikanten. „Bei Wettbewerben muss man sich weit rauslehnen, um eine Chance zu haben“, meinen die Architekten. Realisiert wurde das Projekt von der gemeinnützigen Bau-, Wohn- und Siedlungsgenossenschaft „Neues Leben“.

ARTEC Architekten verstehen das Gebäude als eine Neuinterpretation des Terrassenhauses. Normalerweise in der Vorstadt beheimatete zweigeschossige Wohnungen mit eigenen Freiräumen wurden zu einem dichten, städtischen Paket gestapelt: auf ebenerdige Einraumwohnungen werden Maisonetten gestellt, darüber folgen zweigeschossige Reihenhäuser mit Terrasse und zuoberst so genannte „Kleingartenhäuser“ mit Höfen dazwischen. „Es war unser Ziel, ein möglichst differenziertes Angebot an Raumwirkungen zu erzielen“, sagt Manahl. Ausserdem haben alle der 100 Wohnungen viel Aussenraum und bekommen Tageslicht von mindestens zwei Seiten.

 

Ungewöhnliche Stapelbauweise

Entlang des Bauriegels auf der Tokiostrasse wurde aufgeständert ein Trakt sogenannter „Casablanca-Wohnungen“ (eingeschossige Wohnungen mit Zweigeschoss hohem Loggienraum) gestellt. Alle Einheiten sollten gleich gross gehalten werden. Dies war nur möglich, in dem man die Wohnzimmer um 45° verschwenkt und dreieckige Loggien einschnitt, an die noch ein Balkon andockt. Die vor- und rückspringenden Brüstungen aus Streckmetall sind mit diagonalen Rankgittern verbunden, die von den Anrainern bereits „Spinne“ genannt werden. „Das gibt dem Haus ein Gesicht“, sagt Richard Manahl. Die Gitterstruktur bricht die serielle Strenge und wartet auf die Pflanzen der Bewohner.

Hofseitig bilden Einraumwohnungen das Pendant zur Arkade an der Strasse. Sie haben 4,40 m Raumhöhe, Schlafgalerien und grosse Fenster mit Morgen- oder Abendsonne, denen exklusive Freiräume mit Terrasse und Pflanzstreifen vorgelagert sind. 1,80 m hohe Mauern dienen als Sichtschutz dieser privaten Bereiche im Hof, der sich als halböffentlicher Bereich durch die beiden Wohnblöcke zieht.

Darüber winden sich Maisonetten L-förmig um ein zweigeschossiges Atrium mit Erdkoffer und einer gedeckten Terrasse. Die dritte Schicht besteht aus einer Zeile von zweistöckigen Reihenhäusern mit Garten, zwischen ihnen liegt ein Kinderspielplatz. Ganz oben wurde das für Wien typische und sehr populäre Kleingartenhaus in schmale Baukörper transformiert, die von Süden belichtet sind und sich konisch zum Hof hin verjüngen. So kann die Sonne in alle unteren Freiräume dringen.

 

Thermische Trennung im Niedrigenergiehaus mit Isokorb

„Aufgrund der komplexen Baukörperkonfiguration, resultierend aus der Stapelidee, entstand eine sehr grosse Oberfläche – verglichen mit einem normalen Wohnhaus. Trotzdem ist es ein Niedrigenergiehaus“, erklärt der Architekt.

Zur thermischen Trennung an den Übergangsstellen – beispielsweise in den Laubengängen – hat der Schöck Isokorb beigetragen. Neben der Wärmedämmung mit zusätzlichem Brandschutz bietet der Isokorb auch den Vorteil der geforderten Schwellenfreiheit. Insgesamt wurden 720 Stück Isokorb eingebaut. „Wir schlagen immer den Einbau des Schöck Isokorb vor, weil wir wissen, dass damit alles funktioniert“, fügt der verantwortliche Tragwerksplaner, Anton Harrer, an. In diesem Fall war es auch der Wunsch der Baufirma, Schöck Bauteile zu verwenden“. Neben dem Schöck Isokorb kamen zum Schallschutz bei den Treppen 134 Stück Tronsole zum Einsatz. Guter Schallschutz gehört heute zu den wichtigsten Qualitätsmerkmalen eines Gebäudes. Er ist gerade in den Treppenhäusern von Mehrfamilienhäusern kein Luxus mehr, sondern eine Notwendigkeit. Durch den Systemgedanken der Tronsole wurden nicht nur die Treppenanschlüsse, sondern auch die Fugen optimal abgedichtet. Weiterhin wurden zur Bewehrung  der Betonelemente 720 Laufmeter gerippter Edelstahl (Rippinox) und 30 Dorne eingesetzt.

Die plastische Baukörpergliederung ermöglicht eine ausgeprägte Aussenbeziehung der Wohnungen. Diese erhalten so individuell vorgelagerte Freiflächen, grösstenteils mit bewuchsfähigen Grünbereichen ausgestattet. Alle Wohnungen können quer gelüftet werden, Küchen und Bäder sind natürlich belichtet und belüftet. „In einigen Jahren wird Aufgrund des Pflanzenbewuchses die Wohnanlage ein neues Erscheinungsbild haben“ (Manahl).

Auf der Dachebene des strassenbegleitenden Traktes dient ein Schwimmbecken mit befestigter Terrasse mit Liegewiese und Aussicht über die Dächer den Bewohnern als Freizeitoase im eigenen Haus. In „halber Höhe“ der Bebauung sind die Kleinkinderspielplätze auf Terrassen zu finden, der ebenerdige, begrünte Hof ist Spielplatz für Kinder und Erholungszone für Erwachsene. Die Garage erhält über Oberlichten Tageslicht, im Hof sind diese Bauteile Möblierung und Beleuchtungskörper.

Schlichte Fassade, aufregendes Innenleben

Die Materialität des Hauses ist aussen sehr zurückhaltend: die Mauern zwischen den Atrien und Terrassen sind aus Sichtbeton, die Wände schlammfarben isolierverputzt, alle Brüstungen aus Streckmetall, die Fensterrahmen schwarz oder weiss.

Die Erschliessung der beiden parallelen Riegel erfolgt über innenliegende Laubengänge im Osttrakt, vier natürlich belichtete Stiegenhäuser und drei Lifte.

Viele Terrassenhäuser der 60er Jahre hatten oft helle Wohnungen und Balkone, aber sehr dunkle Gänge. Das wollte man vermeiden. Und so wurden die Erschliessungszonen speziell gestaltet und tragen strahlende Farben. Helles Licht fällt durch das Glasdach von oben auf die sonnengelben Mauern des Laubengangs, von dem Luftstege zu den „Casablanca“-Typen und Maisonetten abzweigen.

Der Boden ist hellgrün, die Brüstungen sind schwarz lackiert. Im zweiten Stock gibt es vor den Türen Metallplattformen, auf denen man diverse Utensilien oder Pflanzen abstellen kann.

Die Nebenräume und Bäder haben Fenster zum Laubengang: bei Tag erhellt er die Wohnungen, bei Nacht sorgt das Licht von drinnen für Leben in dieser inneren Strasse des Hauses. Die Stiegenhäuser an den Enden tragen ein sattes Rot, im Norden schwebt ein oranger Gemeinschaftsraum mit Sanitärbox über den Zugang zum Hof.

 

Bautafel

Objekt:

Terrassenhaus Tokiostrasse, „Die Bremer Stadtmusikanten“

Bauherr: Neues Leben, Gemeinnützige Reg. Gen. GmbH

Architekt: ARTEC Architekten, Wien, Bettina Götz und Richard Manahl

www.artec-architekten.at

Projektleiter: Michael Ivancsics

Bauleitung: Bmstr. Ing. Herwig Koppitz, Neues Leben, Wien

Bauzeit: 2008 - 2009

Landschaftsarchitekt: DI Jakob Fina, Wien

Tragwerksplanung: D. I. Anton Harrer, Krems

Techn. Gebäudeausrüstung: D. I. Johannes Ernst, Olbendorf

Bauphysik:  D. I. Rainer Stepan, Wien

Elektroplanung: TB Michael Künzl, Wien

 

Projektdaten:

Grundstücksfläche: 3. 549 m2

Bebaute Fläche (oberirdisch): 2 .485 m2

Bruttogeschossfläche (oberirdisch): 11. 603 m2

Bruttogeschossfläche (gesamt): 14 .859 m2

Nutzfläche: 9 .090 m2

Brutto-Rauminhalt (oberirdisch): 39 .933 m3

Brutto-Rauminhalt (gesamt): 48. 881 m3

Baukosten gesamt: 9,6 Mio. €