Lange Zeit fristete das Innenstadtgelände an der Stresemannstraße in Hamburg Altona ein trauriges Dasein. Bis sich die International Campus AG entschied auf dem rund 7.500 Quadratmeter großen Grundstück Wohnraum für junge Menschen in Ausbildung, Studium und Beruf zu schaffen, das sogenannte „THE FIZZ Hamburg Altona“. Geplant wurde das Wohnquartier vom Architekturbüro Magnus Kaminiarz & Cie. Architektur. Das Besondere an dem Quartier ist die dreigeteilte Gebäudestruktur mit seiner gefalteten Dachsilhouette. Der Fokus liegt auf den drei Zielgruppen und dem richtungsweisenden Ausstattungs- und Nutzungskonzept. Bei Projekten dieser Größenordnung spielen aber auch Kosten und Flächenverbrauch eine entscheidende Rolle. Um die Fläche hier effizient zu nutzen wurde überwiegend auf Stützen und Konsolen verzichtet und stattdessen Schwerlastdorne in verschiedenen Traglaststufen eingesetzt.
Die Baumaßnahmen am „THE FIZZ Hamburg Altona“ begannen im Februar 2017. Es entstehen 770 möblierte Appartements aufgeteilt in drei Wohnkategorien: das „THE FIZZ Juniors für Auszubildende, das „The FIZZ Living Cum Laude“ für Studierende und das „The FIZZ Young Professionals“ für junge Berufstätige. Sieben Stockwerke mit insgesamt 36.000 Quadratmetern Bruttogeschossfläche bieten jungen Menschen Wohnraum zum Lernen und Arbeiten, die es sonst auf dem Hamburger Wohnungsmarkt schwer haben. Zum Objekt mit geschlossener Blockrandbebauung gehören darüber hinaus 140 unterirdische PKW-Stellplätze, etwa 500 Fahrrad-Stellplätze, mehrere Dachterrassen und begrünte Innenhöfe. Die drei Gebäudeteile werden über separate, zentrale Eingangssituationen und auf die Nutzergruppen zugeschnittene Gemeinschaftsflächen und Betreuungskonzepte verfügen. Das Wohnquartier wird voraussichtlich zum Sommersemester 2019 eröffnen.
Das 7.500 Quadratmeter große Grundstück in Hamburg Altona zwischen Stresemannstraße, Ecke Kieler Straße lag lange brach und hat dennoch eine bewegte Vergangenheit. Das mit Draht und Bauzaun gesicherte Grundstück inspirierte bisher eher zu alternativen Wohnformen: So wurde 2012 auf dem Gelände zwar gebaut, jedoch in Form von Bretterbuden, Hütten und Zelten. Nach mehreren gescheiterten Bauanträgen und Eigentümerwechseln, hat das Grundstück nun seine Bestimmung gefunden. Das Quartier in der Stresemannstraße wird umsäumt von schmalen Häusern und Parzellen aus der Gründerzeit mit vier bis fünf Geschossen. Struktur, Farbe und Material der bestehenden Gebäude ändern sich in regelmäßigen Abständen. Ein Baugrundstück dieser Größe ist in Hamburg Altona, mit seiner eigentlich kleinteiligen Bestandsbebauung untypisch und stellte die Architekten vor große Herausforderungen. Magnus Kaminiarz vom Architekturbüro Magnus Kaminiarz & Cie. Architektur aus Frankfurt, berücksichtigte in seinem Entwurf die kleinteilige Parzellenstruktur des Viertels, indem er die vorhandenen Gebäudekubaturen neu interpretierte.
Dem Entwurfsgedanken lag in erster Linie das spätere Nutzungskonzept zugrunde. Aus den Verkehrsflächen heraus wurden die bestmöglichen Voraussetzungen für die Bewohner und damit ideale Wohngrundrisse entwickelt. Durch die Unterschiedlichkeit der Appartements gab es in dem Gebäude verschiedene Größenraster und Achsabstände die berücksichtigt werden mussten. Die Zimmer variieren nicht in der Tiefe, sondern in erster Linie über die Breite der Einheit. Erst nachdem klar war wie das Raumkonzept realisiert wird, entwickelte sich das Äußere, die Materialität des Gebäudes.
Die 37.000 Quadratmeter große Fassadenfläche fügt sich in das bestehende Stadtbild. Der drohenden Monotonie, die eine Fassade dieser Größe mit einem gleichmäßigen Fensterraster birgt, entgegnet der Architekt mit einem – wortwörtlich – gekonntem Kniff. Um der abwechslungsreichen und differenzierten Bestandsbebauung in dem Quartier gerecht zu werden, strukturierte Kaminarz den Dachbereich der großen Fassade mit unterschiedlichen Faltungen. Dort, wo früher die Parzellengrenzen waren, verspringt die Dachsilhouette und erzeugt in der Fernwirkung kleine, breite und schmale Abschnitte. Die Unterschiedlichkeit der bestehenden Gebäude wird so durch die Dachfaltung simuliert. Das gleichbleibende Fensterraster, das sich durch die Nutzung bedingt, bildet einen harten Kontrast, einen starken Rhythmus, der auf die gefaltete Fassadenoberfläche wirkt. Gerade dieser Spannungsbogen macht einen großen Reiz dieses Projektes aus. Minimierung des Flächenverbrauchs durch Schwerlastdorne
Bei der Größe und Länge dieses Gebäudes sind in den jeweiligen Bauabschnitten Dehnfugen erforderlich, um Zwangskräfte durch auftretende Bauteilverformungen zu vermeiden. Es gibt somit Bauwerksfugen, die das gesamte Gebäude durchtrennen und in mehrere Bauabschnitte teilen. Häufig wird in solch einem Fall eine Doppelwand oder eine doppelte Stütze eingesetzt, um die Trennung der Bauteile zu realisieren. In diesem Fall entschied sich der Architekt, die Bauteiltrennung durch den Einsatz von Schöck Schwerlastdornen auszuführen.
Das Fundament, die Decken-Wandanschlüsse und die Deckenunterzuganschlüsse wurden mit dem Schöck Schwerlastdorn vom Typ SLD-Q in verschiedenen Traglaststufen mit jeweiliger Brandschutzmanschette ausgeführt. Die maximale Tragfähigkeit von über 300 kN wird mit dem SLD-Q 150 erreicht – das sind mehr als 30 Tonnen pro Dorn.
Der Schöck Dorn Typ SLD-Q besteht aus einem Hülsen- und einem Dornteil, die jeweils an der Fuge in die angrenzenden Gebäudeteile einbetoniert werden. Der Dorn überträgt die Lasten in die Hülse und somit in das andere Bauteil. Die angeschweißten Bügel und die Frontplatte gewährleisten dabei eine optimale Lasteinleitung in den Beton. Der Schwerlastdorn überträgt die hohen Querkräfte in den Gebäudefugen und ermöglicht dabei eine Verschiebbarkeit in Längs- und Querrichtung zur Dornachse. Die Hülse ist rechteckig und ermöglicht dadurch eine Verschiebung von ± 12 mm in Querrichtung. Durch den steifen Verankerungskörper ist er besonders geeignet für den Anschluss von dünnen Bauteilen.
„Durch den Einsatz der Dorne konnte auf zusätzliche Doppelwände und Konsolen verzichten werden, die sonst als Deckenauflager dienen. Dies hat nicht nur ästhetische Vorteile, sondern reduziert auch den Aufwand für Schalung und Bewehrung. Hinzu kommt ein nicht unerheblicher Flächengewinn: Schon eine Wand von nur 4,00 x 0,25 Meter hat einen Flächenverbrauch von einem Quadratmeter – der Verzicht auf eine stützende Wand sorgt so für einen Flächengewinn, der sich natürlich auch auf den Verkaufswert auswirkt“, erklärt Michael Kämmerer, Produktmanager beim badischen Hersteller Schöck.
Größere Architekturprojekte sind extrem komplex. Um gute und wirtschaftliche Gebäude zu planen, müssen die Architekten alle Möglichkeiten ausschöpfen. Schon in der Entwurfsplanung empfiehlt es sich ganz genau darauf zu achten, wieviel Fläche verbraucht werden kann. „Denn auch der Bauherr achtet heute sehr auf die Effizienz und Wirtschaftlichkeit der Projekte und da spielt der Flächenverbrauch natürlich eine große Rolle. Die Schwerlastdorne sind nicht unbedingt entscheidend für das architektonische Bild, aber sehr wichtig um die vorhandene Fläche optimal zu nutzen“, ergänzt Michael Kämmerer.
Mit „THE FIZZ Hamburg Altona“ ist dem Architekturbüro ein Entwurf gelungen, der ein ungewöhnlich großes Volumen, eine Megastruktur, in einen Stadtteil integriert, ohne dass es fremd wirkt. Das Gebäude schafft mit der Ehrlichkeit einer großen Struktur einen Rückblick auf den Ort, die Geschichte und die ortstypischen Charaktere der Vergangenheit.