Baden-Baden, 11. September 2017 – Das ehemalige Bürogebäude des BDI (Bundesverband der Deutschen Industrie) in Köln wurde zu Wohnzwecken umgenutzt und kernsaniert. In direkter Rheinnähe entstanden 132 Wohnungen mit nachträglich angebrachten Balkonen. Sie bieten eine weite Aussicht über den Rhein bis hin zum Siebengebirge. Zur Montage der Balkone kam der Schöck Isokorb Typ KST des Bauteileherstellers Schöck Bauteile GmbH aus Baden-Baden zum Einsatz.
Am Gustav-Heinemann-Ufer ist rund um das BDI Hochhaus ein neues Quartier zum Wohnen und Arbeiten entstanden. Der BDI residierte von 1968–1999 in dem früher elfstöckigen Gebäude mit dunklen Brüstungen und Fenstern mit den – für die damalige Zeit typischen – orangefarbenen Sonnenschutzgläsern. Nach dessen Umzug nach Berlin stand das Gebäude leer. Die Münchener Tauton Beteiligungsgesellschaft, eine Partnerschaft aus der GARBE Immobilien-Projekte GmbH Hamburg und der ABG Unternehmensgruppe München, erwarb das Gebäude 2011 samt 25.400 Quadratmeter Grund. Den neuen Eigentümern und ihren Architekten stellte sich nun in der südlichen Rheinmetropole, in der das Wohnungsangebot und interessante Baugrundstücke rar sind, die spannende Aufgabe der Revitalisierung des lange leerstehenden Bürogebäudes.
JSWD Architekten aus Köln wurden mit dem Umbau und der Sanierung des ehemaligen BDI Gebäudes beauftragt. Im Zuge der Revitalisierung wandelte sich das 70iger Jahre Hochhaus zu einem Wohngebäude mit hochwertigen Eigentumswohnungen, dem sogenannten „FLOW Tower“. Das Objekt wird umrahmt von vier mehrgeschossigen Wohngebäuden und einem Büroriegel, geplant vom Kölner Büro ASTOC, die auch für den städtebaulichen Masterplan verantwortlich zeichneten. Unter dem gesamten Grundstück sorgt eine Tiefgarage für ausreichende Parkmöglichkeiten.
JSWD Architekten war es Anliegen und Herausforderung zugleich, das ehemals Maßstäbe setzende Bürogebäude in ein ebenso einzigartiges Wohnhaus umzuwandeln. Dazu musste die geschwungene Hochhausscheibe umfassend entkernt werden. Die ursprüngliche Fassade mit den horizontalen Fensterbändern war aus bauphysikalischen Gründen nicht mehr zu halten. Die enorme Geschosshöhe des auch früher schon verglasten Erdgeschosses wurde durch den Einzug einer Empore nutzbar gemacht. Hier entstanden zwei- bzw. dreigeschossige Maisonette-Wohnungen als Haus-im-Haus Typus mit eigenem Garten. Der Baukörper wurde um ein zusätzliches Staffelgeschoss erweitert, welches vier großzügigen Penthäusern mit Dachterrassen Raum bietet. In den Regelgeschossen entstanden mehrheitlich Zwei- bis Vierzimmerwohnungen mit Wohnungsgrößen zwischen 65 und 157 Quadratmeter. Im Rahmen der Sanierung erhielt auch die Fassade ein zeitgemäßes Gesicht: weiße, unregelmäßig perforierte Brüstungsbänder aus Metall umgeben das Gebäude und wölben sich auf den Längsseiten im Bereich der geschossweise versetzten Balkone nach außen. Die wellenartige Form der neuen, großzügigen Balkone greift die geschwungene Formsprache des Bestandsgebäudes auf und unterstreicht die Dynamik des neuen Wohngebäudes. Im Bereich der Balkone sowie im zehnten und elften Obergeschoss sind die öffenbaren Fenstertüren bodentief. Die geschlossenen Paneele und die neuen Fenster sind in einem blassen Goldton gehalten. Die neue Fassade verleiht dem Gebäude eine helle und ansprechende Optik.
Das Hochhaus war damals bereits sehr hochwertig ausgeführt − ein Hybrid aus Stahlskelettbau mit Stahlbetondecken und einem Aussteifungssystem aus Stahlbetonkernen. Das Gebäude musste bis auf den Rohbau entkernt werden. Holger Seitz von Kempen Krause Ingenieure, Köln: „Die Herausforderung beim Projekt „FLOW Tower“ in Köln bestand darin, das Gebäude nachträglich mit Balkonen zu versehen. Da es sich baurechtlich um ein Hochhaus handelt, mussten die Balkone eine Feuerwiderstandsdauer von 90 Minuten aufweisen“. Die Wahl fiel dabei auf eine Konstruktion aus Stahlträgern mit einer Stahlbetonplatte, wobei die Stahlträger für den Feuerwiderstand verkleidet wurden. Obwohl das Gebäude aufgrund seiner bisherigen Nutzung als Bürogebäude und den ursprünglich angesetzten Bemessungslasten durchaus Tragreserven hatte, war die Eignung der Bestandskonstruktion für die zusätzliche Last aus den massiven Balkonen nicht ohne weiteres nachweisbar. Um die Bemessungslasten für die Bestandskonstruktion zu reduzieren, wurde gemeinsam mit dem Prüfingenieur ein Bemessungskonzept für die neu zu errichtenden Balkone und die vorhandene Stahlkonstruktion abgestimmt. Hierbei wurden sämtlichen neuen Bauteilen entsprechend die Bemessungsregeln der DIN EN 1990 nachgewiesen und für den Nachweis der Bestandsstützen folgendes Bemessungskonzept entwickelt:
Ständige Lasten aus Geländerkonstruktion, Brandschutzbekleidung und sonstige Ausbauten wurden mit einem Sicherheitsbeiwert gemäß Norm von γ = 1,35 berücksichtigt, da diese Größen im Laufe der Ausführungsplanung noch stark variieren konnten. Die Hauptlast aus dem Eigengewicht der Balkonplatte wurde in Anlehnung an die DAfStb-Richtlinie „Belastungsversuche an Betonbauwerken“ mit einem Sicherheitsbeiwert von γ = 1,15 eingeplant. Um dies zu ermöglichen, wurden die Fertigteilplatten nach der Herstellung einzeln gewogen und durften nur bei Unterschreitung eines vorgegebenen Zielgewichtes eingebaut werden. Dieser Vorgang musste protokolliert und dem Aufsteller der statischen Berechnung sowie dem Prüfingenieur zur Freigabe vorgelegt werden. Auf diese Weise konnte man die Belastung für die Bestandsbauteile auf Bemessungsniveau um rund 6 % reduzieren. Bei einer Gesamtmenge von rund 200 t Stahl, die zur Verstärkung der Konstruktion verbaut wurde, stellt diese augenscheinlich geringfügige Lastoptimierung durchaus einen nennenswerten Beitrag zur Kostenreduzierung dar.
„Im Vorfeld haben wir untersucht, ob die Balkone direkt an die vorhandenen Stützen angeschlossen werden können, um die Konstruktion monolithisch auszuführen“, erklärt Holger Seitz. „Nach den erfolgten 3D-Wärmebrückenberechnungen hätten Silikatplatten als Innendämmung zur Ausführung kommen müssen, denn die Oberflächentemperatur in diesen Ecken wäre sonst unter zwölf Grad gesunken. Die Innendämmung schloss der Bauherr aber aus optischen Gründen bereits in der Planung aus. Daher haben wir den Schöck Isokorb schon im Vorfeld ausgeschrieben.“
„Nachdem das Gebäude komplett entkernt, die Fenster und Fassadenelemente entfernt waren, stand im Grunde nur noch das Stahlskelett mit den Stahlbetondecken“, beschreibt Jens Neumann, Einbaumeister von Schöck, die Ausgangslage. Die freigelegten, durchgehenden senkrechten Stahlträger des tragenden Stahlskeletts konnten für die Montage der Balkone genutzt werden. Die Balkone bestehen aus zirka zwei Meter auskragenden Doppel-T-Trägern mit einem aufliegenden Betonfertigteil in Sichtbetonqualität. Darauf wurden nachträglich die Brüstungselemente aus Stahl verschraubt.
Für die Montage der Doppel-T-Träger an das Bestandsgebäude und deren thermische Entkopplung kam der Schöck Isokorb Typ KST zum Einsatz. Der Typ KST ist ein tragendes Wärmedämmelement für den Anschluss von Stahlträgern an Stahlkonstruktionen. Er besteht aus KSTZ Modulen für die Übertragung der Zugkräfte und KSTQ Modulen für die Übertragung der Quer- und Horizontalkräfte.
„Die Stahlbaufirma montierte den Schöck Isokorb direkt im Werk an die Endstücke des Doppel-T-Trägers, die den Balkon stützen. Auf den Isokorb schraubten sie eine Stirnplatte aus Stahl mit seitlichen, vertikalen Laschen. Ein Kran hob die Stahlkonstruktion vor Ort auf die jeweilige Etagenhöhe, auf der die Träger dann mittels der seitlichen Laschen an die bestehenden vertikalen Stahlträger angeschweißt wurden. Dank einer höhenverstellbaren Arbeitsbühne die mit Schienen direkt mit der Fassade verbunden war, konnten die Arbeiter die Balkonträger von außen millimetergenau ausrichten“, erklärt Jens Neumann.
Kempen Krause Ingenieure berechneten je nach Größe jeweils zwischen drei und fünf Stahlträger pro Balkon, auf diese dann die halbrunden Balkonelemente von zirka vier bis acht Meter Breite befestigt wurden. Um die Betonfertigteile auf die Stahlträger zu setzen, nutzten die Arbeiter eine Hebeltraverse am Kranausleger. Diese hob dann die 2,5 bis 5 Tonnen schweren Balkonplatten von vorne an das Gebäude.
Ein Bürogebäude, das lange leer stand, gilt meist als „hoffnungsloser Fall“, dem der Abriss droht. Die Revitalisierung des ehemaligen BDI-Gebäudes in Köln beweist das Gegenteil, denn aus einem alten Bürogebäude ist ein lebendiges, exklusives Wohnhochhaus geworden − der „FLOW Tower“.
In der Gestalt, technischen Ausstattung und bezüglich des Wohnkomforts muss sich dieses Revitalisierungs-Projekt nicht hinter Neubauten verstecken. Der „FLOW Tower“ hat sogar Neubauwohnungen etwas voraus: Er steht in einer Beziehung zur Vergangenheit und zur Geschichte seiner Umgebung.