Frau Riebold, Sie sind sehr früh in die Firma Schöck gekommen und haben als Assistentin von Herrn Schöck begonnen. Wie kam es dazu?
MARTINA RIEBOLD: Ich war ziemlich jung, als ich bei Schöck anfing. Also lassen Sie mich überlegen. Es war 1988, ich hatte eine Ausbildung zur Bürokauffrau in einem Bauunternehmen und erste Berufsjahre hinter mir. Mit knapp 25 Jahren fand ich, es war an der Zeit, mich zu verändern. Ich hatte eine Anzeige in der Zeitung gesehen und habe mich als Sekretärin beworben. Im Bewerbungsgespräch saßen dann Herr und Frau Schöck, Herr Dierichs, der Geschäftsführer des Bauunternehmens, und dessen Sekretärin vor mir. Sie führten das Gespräch mit mir.
Frau Schöck hat Sie also auch mit eingestellt?
MARTINA RIEBOLD: Ja, Frau Schöck ließ mich nach dem Gespräch in ihrem Büro das Protokoll des Gesprächs tippen, um zu prüfen, wie ich diese Aufgabe umsetze. Und ich habe es wohl fehlerfrei gemacht.
Sie lösten damit Frau Schöck als Sekretärin ihres eigenen Mannes ab?
MARTINA RIEBOLD: Bis dahin hatte Frau Schöck halbtags Schreibarbeiten für ihren Mann erledigt. Es war für sie eine große Erleichterung, dass sie sich ab diesem Zeitpunkt intensiv um ihre zahlreichen Projekte kümmern konnte.
Inwiefern?
MARTINA RIEBOLD: Na ja. Sie war von Anfang an voll und ganz für das Unternehmen da, hat gemeinsam mit ihrem Mann die Werte des Unternehmens geprägt und war sehr anspruchsvoll bei allem, was sie tat. Sie hat ihren Mann auch kreativ bei seinen Innovationen unterstützt und beispielsweise für die Form des Lichtschachts die Idee einer Eiform eingebracht. Sie hat vier Kinder großgezogen und war nebenbei schriftstellerisch tätig. Ihr Traum war es, eigene Bücher zu verlegen. Ich war zwei Jahre Assistentin für Herrn Schöck und wurde dann zusätzlich Assistentin des Geschäftsführers der Bauteile GmbH. Insgesamt arbeitete ich für Eberhard Schöck bis zu seinem Tod.
Sie sind also Herrn Schöck treu geblieben?
MARTINA RIEBOLD: Ja. Er war Anfang 50 und ich Mitte 20 und ich konnte viel von ihm lernen, auch von Frau Schöck. Beide waren in ihrer Persönlichkeit sehr unterschiedlich. Während Frau Schöck beispielsweise den antiautoritären Erziehungsstil bevorzugte, war Herr Schöck eher klassisch autoritär, aber nicht sehr. Sie waren beide unternehmungslustig und für Herrn Schöck habe ich immer sehr gerne gearbeitet.
Wie haben Sie Herrn Schöck denn damals wahrgenommen?
MARTINA RIEBOLD: Also abgesehen davon, dass er immer ein angenehmer Chef war, war er auch stets daran interessiert, was seine Mitarbeiter denken. Oft ging er durch die Hallen, sprach mit ihnen und fragte, ob sie noch Ideen für Verbesserungen oder vielleicht selber Erfindungen hätten. Er war ein Mensch, der anderen gegenüber sehr empathisch war. Sehr angenehm.
Er hat ja auch einige Erfindungen ins Leben gerufen. Waren Sie daran beteiligt und waren diese immer erfolgreich?
MARTINA RIEBOLD: Er hat einige sehr erfolgreiche Ideen gehabt. Aber nicht alle haben sich bewährt. Ich erinnere mich noch an die Idee von Frau Schöck, etwas gegen die Schnecken, die im Varnhalter Garten immer für Unheil sorgten, erfinden zu wollen. Beide verfolgten die Idee, einen Schneckenzaun zu bauen, der die Tiere davon abhalten würde, den Garten anzugreifen. Aber das wurde nichts, denn so etwas gab es schon auf dem Markt. Er beschäftigte sich einfach mit allem, was seine Neugierde weckte und hatte eine umfangreiche Hängemappenablage voller Produktanmeldungen. Da waren auch viele Erfindungen drin, aus denen nichts wurde oder die einfach auch mal floppten. Aber das ist ja normal, dass jemand, der so erfinderisch ist, auch mal danebengreift. Ich selbst habe nichts erfunden, aber ab und zu hatte ich eine Idee, die ich ihm dann erzählte.
Sie waren für ihn zuständig bis vor zwei Jahren?
MARTINA RIEBOLD: Herr Schöck hatte von frühester Kindheit an ein Lungenleiden. Das war auch der Grund, warum er immer wieder in die Schweiz fuhr, um sich von seinem Bronchialasthma zu erholen. Wenn es ihm gut ging, war er sehr umtriebig: Workshops entwickeln, Innovationszirkel ins Leben rufen, sich um seine Mitarbeiter kümmern, Ideenwettbewerbe mit einer ausgesuchten Jury initiieren und immer auf der Suche nach neuen Ideen und Inspirationen. Auch im Rentenalter fuhr er täglich für mindestens zwei Stunden in seine Firma. Vor zwei Jahren, im Alter von 84 Jahren, war das gesundheitlich für ihn nicht mehr möglich.
Wie hat sich die Firma Schöck oder die Arbeitsatmosphäre denn im Laufe der Zeit verändert?
MARTINA RIEBOLD: 1988 war der Betrieb überschaubarer, weil er einfach kleiner war. Was heute die Abteilungen sind, waren damals die Bauunternehmung, die Bauteile und die Massivbaufirmen. Die modernsten Errungenschaften waren ein Faxgerät und Einzelplatz-PCs. Es gab täglich zwei Rundgänge und man nahm sich auch mal Zeit für ein Schwätzchen, zu dem sich Herr Schöck dann dazugesellte. Es wurden auch übergreifende Fahrradtouren und Fußballturniere organisiert oder andere gemeinsame Ausflüge. Heute ist das durch die Internationalisierung des Unternehmens in dem Umfang gar nicht mehr möglich. Und der Arbeitsrhythmus ist auch ein anderer. Heute legen die Angestellten mehr Wert darauf, freie Zeit zu haben, und diese verbringen sie dann gerne mit der eigenen Familie oder ihren Freunden. Das Bewusstsein für die Arbeit ist einfach ein anderes geworden. Aber es hat heute auch Vorteile. Die Arbeit mit Herrn Schöck war immer schön und wir haben uns sehr gut verstanden, weil wir beide leidenschaftliche Baumenschen waren.